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Anwalt Strafrecht Oberhausen Mülheim

(Beachten Sie bitte, dass es sich bei den Meldungen und Entscheidungen, Aktuelles zum Strafrecht, in der Regel um Einzelfallentscheidungen handelt. Diese sind nicht ohne weiteres auf andere Fälle übertragbar und können eine Rechtsberatung im konkreten Einzelfall nicht ersetzen!)


 

Ältere Meldungen zu Aktuelles im Strafrecht finden Sie im Archiv:

2015

2014


Kinderpornographie Lehrer

Der Besitz von Kinderpornographie ist nach § 184b Abs. 3 StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren bedroht.

Ist der Beschuldigte Ersttäter, beträgt die verhängte Strafe in der Regel weniger als 2 Jahre und wird auch zur Bewährung ausgesetzt.

Insbesondere, wenn der Beschuldigte Beamter ist, drohen allerdings gravierende berufsrechtliche Konsequenzen.

Bis vor wenigen Jahren war es so, dass die Rechtsprechung danach unterschied, ob sich die Kinderpornografie auf dem Dienstrechner oder auf privaten Speichermedien befand. In letzteren Fällen drohte in der Regel keine Entfernung aus dem Dienst.

Dies hat sich nun gründlich geändert.

Ein Beamter der Agentur für Arbeit war wegen Besitzes von Kinderpornografie auf seinem privaten Rechner zwar zu lediglich 9 Monaten auf Bewährung verurteilt worden, wurde aber aufgrund einer inzwischen rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Meiningen aus dem Dienst entfernt, das Bundesverwaltungsgericht hat dies nun auch für zwei Berliner Lehrer bestätigt, die sich in vorhergehenden Instanzen noch erfolgreich gegen den Verlust des Beamtenstatus und der Pensionsansprüche gewehrt und die in den jeweiligen Strafverfahren lediglich Geldstrafen von 50 bzw. 90 Tagessätzen erhalten hatten- Urteile vom 24.10.2019 – 2 C 3.18 und 2 C 4.18.

 

Pflichtverteidigung bereits im Ermittlungsverfahren

Mit der EU-Richtlinie 2016/1919 die spätestens bis zum 25. Mai 2019 umgesetzt werden muss, etabliert sich die Notwendigkeit einer Entscheidung über die Beiordnung eines Rechtsanwalts.

Die wichtigste Änderung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls folgt aus Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie. Denn dort heißt es, dass Entscheidungen über die Bestellung von Rechtsbeiständen unverzüglich zu treffen sind und zwar bis spätestens vor einer Befragung durch die Polizei oder einer anderen Strafverfolgungsbehörde oder einer Justizbehörde oder vor der Durchführung einer Ermittlungs- oder Beweiserhebungshandlung einschließlich der Identifizierungsgegenüberstellung, einer Vernehmungsgegenüberstellung oder einer Tatortrekonstruktion gem. Art. 2 Abs. 1 lit. c der Richtlinie.

Damit wird ein weiterer Schritt getan, um die Waffengleichheit zu Beginn eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens herzustellen. Anders ist die derzeitige Rechtslage, die es in die Entscheidungsgewalt der Staatsanwaltschaft stellt, bereits im Ermittlungsverfahren für eine Beiordnung zu sorgen. Ein eigenes Antragsrecht des Beschuldigten gibt es nicht.

Allerdings ist bereits jetzt neu, dass der Ermittlungsrichter über die vorzeitige Beiordnung schon im Ermittlungsverfahren entscheidet, wenn eine richterliche Vernehmung angeordnet ist und die Mitwirkung eines Verteidigers aufgrund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint, § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO. Dann kommt es auf einen Antrag durch die Staatsanwaltschaft nicht an.

 

Kündigung wegen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe

Ein Arbeitgeber kann das Beschäftigungsverhältnis mit einem Arbeitnehmer kündigen, der eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren zu verbüßen hat und dessen vorzeitige Entlassung nicht sicher erwartet werden kann. Überbrückungsmaßnahmen sind nicht erforderlich, der Arbeitsplatz kann endgültig neu besetzt werden. Entwicklungen in der Vollzugszeit, z.B. die Möglichkeit des offenen Vollzugs oder der vorzeitigen Haftentlassung, die erst nach der Kündigung eintraten, sind nicht erheblich (LAG Hessen, 21.11.2017, Az. 8 Sa 146/17; PM 02/18 v. 08.02.2018).

 

Die Aussagefreiheit des Beschuldigten im Strafverfahren

Bei Beginn der ersten Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen (§ 136 Abs. 1 S. StPO). Er ist darauf hinzuweisen, dass es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen (§ 136 Abs. 1 S. 2 StPO). Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren (§ 136 Abs. 1 S. 3 StPO). Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen (§ 136 Abs. 1 S. 4 StPO). Die Aussagefreiheit des Beschuldigten und das Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung sind notwendiger Ausdruck einer auf dem Leitgedanken der Achtung der Menschenwürde beruhenden rechtsstaatlichen Grundhaltung. Dazu gehört, dass im Rahmen des Strafverfahrens niemand gezwungen werden darf, sich durch seine eigene Aussage einer Straftat zu bezichtigen oder zu seiner Überführung aktiv beizutragen. Der Beschuldigte muss frei von Zwang eigenverantwortlich entscheiden können, ob und gegebenenfalls inwieweit er im Strafverfahren mitwirkt. Die Verletzung der Aussagefreiheit kann auch außerhalb von Vernehmungen nach §§ 136, 136a StPO zu einem Beweisverwertungsverbot führen, so z.B. wenn sich ein Beschuldigter im ununterbrochenen polizeilichen Gewahrsam befindet, in dem auf das Recht zu Schweigen nicht Rücksicht genommen wird, sondern eine dauerhafte Befragung stattfindet (Bundesgerichtshof, 06.03.2018, Az. 1 StR 277/17).

 

Anforderungen an den Anklagesatz beim Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt

Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (§ 200 Abs. 1 S. 1 StPO).  Enthält die Anklageschrift diese Angaben, die als Umgrenzungsfunktion bezeichnet werden, nicht, kann sie an einem wesentlichen Mangel leiden, der zur Verfahrenseinstellung (§ 206a StPO bzw. § 260 Abs. 3 StPO) führen kann.. Insbesondere in Strafverfahren wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) ist es immer wieder streitig, ob die Umgrenzungsfunktion der Anklageschrift gewahrt wurde. Um die Umgrenzungsfunktion zu wahren muss im Anklagesatz das relevante Verhalten und der Taterfolg i.S.v. § 266a StGB angeführt sein. Einer Berechnungsdarstellung der nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge bedarf es hingegen nicht (Bundesgerichtshof, 09.01.2018, Az.: 1 StR 370/17).

 

“Strafkammerbericht” des OLG Celle

Von 2009 bis 2014, haben Landgerichte Daten von über 11.000 Strafverfahren erhoben, die das Oberlandesgericht Celle ausgewertet hat. Der „Strafkammerbericht” von Dr. Sabine Ferber fasst die Ergebnisse der Erhebung auf knapp 200 Seiten zusammen. Die breit angelegte Untersuchung und die große Zahl der beteiligten Gerichte hat zu einem enormen Fundus von Daten geführt, der u.a. wichtige Hinweise für Gerichtsorganisation und Geschäftsverteilung liefert. Dabei darf aber nicht verkannt werden, dass das Gerichtsverfassungsgesetz und die Strafprozessordnung den Gerichten insoweit nur wenig Spielraum lassen. Deshalb können die Ergebnisse der Erhebung auch im Reformprozess des Strafverfahrensrechts genutzt werden. In der Spitze haben sich 22 Landgerichte aus 6Bundesländern, darunter alle Landgerichte aus dem Oberlandesgerichtsbezirk Celle (also die Landgerichte Bückeburg, Hannover, Hildesheim, Lüneburg, Stade und Verden) an der Untersuchung beteiligt. Sie haben nicht nur die üblichen Statistikdaten übermittelt, sondern darüber hinaus Daten erfasst, die sich aus Protokollen der Hauptverhandlungen oder richterlichen Verfügungen ergeben, wie z.B. die Anzahl von Angeklagten und Verteidigern, die Zahl der Hauptverhandlungstage und deren Dauer, die Zahl der Befangenheitsanträge oder den Aktenumfang. Wesentliche Erkenntnisse der Datenauswertung sind u.a.:
Nichthaftsachen vor allgemeinen Strafkammern und Jugendstrafkammern dauern durchschnittlich doppelt so lange (300Tage zwischen Eingang der Anklage bei Gericht und abschließender Entscheidung)wie Haftsachen. Nichthaftsachen vor den Wirtschaftsstrafkammern dauern nochmal doppelt so lange.
Wegen der Verfahrensdauer wurde in Haftsachen vor den allgemeinen Strafkammern und den Jugendstrafkammern in weniger als 2 % der Fälle das Strafmaß im Wege eines Vollstreckungsabschlages reduziert. In Nichthaftsachen vor den Wirtschaftsstrafkammern lag der Anteil im Erhebungszeitraum zwischen einem Drittel und einem Viertel der Verfahren.
Bei einzelnen Gerichten gibt es einen deutlichen Zusammenhang zwischen einem hohen Schwierigkeitsgrad der Verfahren,der u.a. anhand von Umfang der Akten und Zahl der Anklagten ermittelt wurde, und der Verfahrenslaufzeit.
Der Anteil der Haftsachen, die vor den allgemeinen Strafkammern in einer Kammerbesetzung mit nur zwei statt mit drei Berufsrichtern verhandelt wurden, ist von 2009 bis 2014 kontinuierlich und erheblich von 79 %auf 49 % gesunken. Gleiches gilt für die Nichthaftsachen. Dort sankt der Anteil der in Zweierbesetzung verhandelten Verfahren von 84 % auf 64 %.
In Haftsachen vor allgemeinen Strafkammern und dem Schwurgericht ist der Anteil an kleinen Verfahren mit geringem Aktenumfang von 54 % auf 37 % gesunken, während der Anteil von umfangreichen Verfahren von 16 % auf 24 % gestiegen ist. Dabei gibt es allerdings zwischen den einzelnen Gerichten große Unterschiede.
Bei einzelnen Gerichten liegt der Anteil an Haftverfahren, in denen Befangenheitsanträge gestellt werden, bei über 10 %.Jeder Befangenheitsantrag löst ein zeitaufwändiges und kompliziertes Prozedere aus. Deshalb sind sowohl vom ersten, als auch vom zweiten bundesweiten Strafkammertag (im Februar 2016 in Hannover, im September 2017 in Würzburg)verfahrensrechtliche Vereinfachungen gefordert werden, die auch im Strafkammerbericht dargestellt werden.
Gestiegen, nämlich von 28 % auf 37 %, ist der Anteil von Verfahren mit mehr als 11 Zeugen pro verhandeltem Haftverfahren vor den Strafkammern und Schwurgerichten.
(Pressemitteilung des OLG Celle vom 04.01.2018).

 

Durchsuchung beim Nichtbeschuldigten (§ 103 StPO)

Beim Nichtbeschuldigten sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des Beschuldigten oder zur Verfolgung von Spuren einer Straftat oder zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände und nur dann zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die gesuchte Person, Spur oder Sache sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet (§ 103 Abs. 1 S. 1 StPO – Durchsuchung bei anderen Personen). Dem von einer Durchsuchungsmaßnahme nach § 103 StPO betroffenen Dritten ist grundsätzlich bei Vollzug der Maßnahme eine Ausfertigung des Anordnungsbeschlusses mit vollständiger Begründung auszuhändigen. Die Bekanntgabe der vollständigen Gründe kann in Ausnahmefällen bei einer Gefährdung des Untersuchungserfolgs oder entgegenstehender schutzwürdiger Belange des Beschuldigten vorläufig zurückgestellt werden. Die Zurückstellung der Bekanntgabe umfasst jedoch im Regelfall nicht die Mitteilung der Tatsachen, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit ergibt, dass sich die gesuchten Gegenstände in den Räumlichkeiten des Drittbetroffenen befinden (Bundesgerichtshof,  28.06.2017, Az. 1 BGs 148/17).

 

Verjährung der Bestechung/Bestechlichkeit

Die Verjährungsfrist bei Bestechung und Bestechlichkeit beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB).

Werden Bestechung oder Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in der Form begangen, dass der Bestechende zunächst den Vorteil gewährt und der Bestochene sodann die im Wettbewerb unlauter bevorzugende Handlung vornimmt, so sind beide Taten beendet und beginnt damit die Frist für deren Verfolgungsverjährung zu laufen, wenn diese Handlung vollständig abgeschlossen ist. Bestehen die bevorzugenden Handlungen nach der getroffenen Unrechtsvereinbarung in dem Abschluss und der Durchführung eines Vertrags, so tritt daher die Beendigung der Taten erst ein, wenn der Bestochene die letzte von ihm zur Vertragserfüllung bestimmte Leistung erbringt (Bundesgerichtshof, 18.05.2017, Az.: 3 StR 103/17).

 

Gefährdung des Straßenverkehrs: Keine Bewährung für Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang

Ein nicht vorbestrafter Fahrer eines Kraftfahrzeugs, der bei einem vorsätzlich verkehrswidrigen Überholmanöver einen Verkehrsunfall verursacht, bei dem ein Verkehrsteilnehmer tödlich und drei weitere z.T. schwer verletzt werden, kann mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten zu bestrafen sein, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung auszusetzen ist.
Diese Entscheidung der Vorinstanzen hat auch das Oberlandesgericht (OLG) Hamm bestätigt. Der Angeklagte war mit einem Paket-Auslieferungswagen auf einer Landstraße unterwegs. Er hatte bereits bei einem Überholvorgang eine Linksabbiegerspur und eine durchgezogene Linie mit überhöhter Geschwindigkeit überfahren, als er sich einer Kreuzung näherte. Aus der Einmündung bog ein Pkw auf die Fahrspur das Angeklagten ein. Um hinter diesem Fahrzeug zu bleiben, hätte der Angeklagte seine Geschwindigkeit deutlich reduzieren müssen. Dies wollte er vermeiden. Er setzte zum Überholen des Fahrzeugs an und überfuhr hierbei eine Sperrfläche vor dem Einmündungsbereich sowie die für den Gegenverkehr vorgesehene Linksabbiegerspur. Dort kam ihm ein Pkw Skoda entgegen, der nach links abbiegen wollte. Dem Skoda folgte ein Pkw Dacia Duster. Der Angeklagte behielt seine Geschwindigkeit von ca. 75 bis 90 km/h bei und fuhr frontal auf den Skoda zu. Dessen Fahrerin konnte den Zusammenstoß mit dem Lieferwagen trotz eines Ausweichmanövers nicht vermeiden. Der hierdurch abgelenkte Lieferwagen kollidierte sodann mit dem Dacia. Dessen Fahrer erlitt bei dem Unfall tödliche Verletzungen. Die weiteren Insassen des Dacia und des Skoda erlitten zum Teil schwere Verletzungen.
Der Strafrichter am Amtsgericht verurteilte den zwar verkehrsordnungswidrigkeitenrechtlich, aber nicht strafrechtlich vorbelasteten Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung in drei Fällen und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Die Vollstreckung wurde nicht zur Bewährung ausgesetzt. Zudem verlor der Angeklagte seine Fahrerlaubnis. Das Landgericht bestätigte im Berufungsverfahren die Verurteilung. Es setzte die Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis auf die gesetzlich zulässige Höchstfrist von fünf Jahren fest.
Die Richter am Landgericht haben die versagte Strafaussetzung zur Bewährung damit begründet, dass dem nicht vorbestraften Angeklagten zwar eine günstige Sozialprognose zu stellen sei. Nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten lägen aber keine besonderen Umstände vor, die es ermöglichten, die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen. Vor dem Hintergrund des erheblichen Unrechts- und Schuldgehalts der Tat, der sich maßgeblich aus der rücksichtslosen und risikobereiten Fahrweise des Angeklagten mit den darauf zurückzuführenden schweren Tatfolgen ergebe, rechtfertigten die zu seinen Gunsten sprechenden Umstände, insbesondere seine bisherige Unbestraftheit, keine Bewährung. Zudem sei die Vollstreckung zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten. Der Verkehrsverstoß weise neben den schweren Folgen einen erheblichen Unrechtsgehalt auf. Er sei Ausdruck einer verbreiteten Einstellung, die die Geltung des Rechts nicht ernst nehme. Das Verhalten des Angeklagten vor und nach der Tat zeige, dass er sich ohne Bedenken über Verkehrsregeln und die Sicherheitsinteressen anderer Verkehrsteilnehmer hinweggesetzt habe.
Gegen das Berufungsurteil hat der Angeklagte Revision eingelegt. Diese hat das Oberlandesgericht Hamm als unbegründet verworfen. Die Überprüfung des Urteils ergab keinen Rechtsfehler zulasten des Angeklagten, so die Entscheidung des Senats. (Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 23.3.2017, Az.: 4 RVs 33/17)

 

Btm-Handel und die Überschreitung der „nicht geringen Menge“

Beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge darf nur die Tatbegehung mit einer “nicht geringen Menge” für sich genommen nicht bei der Strafzumessung berücksichtigt werden; jedoch kann das Maß der Überschreitung des Grenzwerts in die Strafzumessung einfließen, soweit es sich nicht lediglich um eine Überschreitung in einem Bagatellbereich handelt. Ausgehend von der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens hat eine Überschreitung des Grenzwerts grundsätzlich strafschärfende Bedeutung (Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.03.2017, Az.: 2 StR 294/16).

 

Das „falsche Geständnis“ im Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren

Wer gegenüber der Bußgeldbehörde unrichtigerweise angibt, im Tatzeitpunkt einer Verkehrsordnungswidrigkeit der Fahrer des Fahrzeugs gewesen zu sein, behauptet gegenüber der Bußgeldstelle wider besseren Wissens Tatsachen, die geeignet sind ein behördliches Verfahren gegen sich selbst herbeizuführen. Diese Selbstbezichtigung ist jedoch straflos, da dadurch weder der Straftatbestand des § 164 Abs. 2 StGB (falsche Verdächtigung), noch der des § 145d Abs. 2 Nr. 1 StGB (Vortäuschen einer Straftat)  objektiv verwirklicht wird. § 164 Abs. 2 StGB setzt eine falsche Verdächtigung  in Bezug auf eine andere Person voraus. Bei § 145d Abs. 2 Nr. 1 StGB reicht eine Verkehrsordnungswidrigkeit nicht aus. Bestimmt ein Dritter dementsprechend eine andere Person zur straflosen Selbstbezichtigung bezüglich einer Ordnungswidrigkeit, so ist dies – ohne Hinzutreten weiterer, eine tatsächliche Tatherrschaft begründender Umstände – als straflose Anstiftung und nicht als falsche Verdächtigung in mittelbarer Täterschaft zu qualifizieren (Landgericht Heilbronn, 09.03.2017, Az.: 8 KLs 24 Js 28058/15).

 

Kein Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung wegen neuer Straftat

Das Gericht widerruft die Strafaussetzung zur Bewährung u.a. dann, wenn die verurteilte Person in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat. Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht, die Bewährungszeit zu verlängern Ein Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung kommt jedenfalls grundsätzlich nicht in Betracht, wenn die neue Tat nach Ablauf der Bewährungszeit begangen wurde und erst danach – aus anderen Gründen – eine Verlängerung der Bewährungszeit erfolgt ist (Oberlandesgericht Karlsruhe, 14.3.2017, Az.: 2 Ws 59/17).

 

Suizid und Nachstellung

Führt das Opfer einer Nachstellung den tödlichen Erfolg im Sinne des § 238 Abs. 3 StGB durch ein selbstschädigendes Verhalten (Suizid) herbei, ist der tatbestandsspezifische Zusammenhang zwischen Grunddelikt und tödlichem Erfolg bereits dann zu bejahen, wenn das Verhalten des Opfers motivational auf die Verwirklichung des Grundtatbestandes zurückzuführen ist und diese Motivation für sein selbstschädigendes Verhalten handlungsleitend war (Bundesgerichtshof, 15.02.2017, Az.: 4 StR 375/16)

 

„Spätwirkung“ von Cannabis

Ein Kraftfahrer ist nach vorausgegangenem bewussten Konsum von Cannabis verpflichtet ist, vor Antritt der Fahrt durch gehörige Selbstprüfung – soweit erforderlich – nach Einholung fachkundigen Rats und notfalls, sofern eine eindeutige Beurteilungsgrundlage nicht zu erlangen ist, durch Abstandnahme von der Fahrt sicherzustellen, dass er nicht mit einem THC-Wert von 1,0 ng/ml im Blut ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führt.
Das Gericht darf auch bereits allein aus der Feststellung eines entsprechenden THC-Werts im Blut auf ein nach § 24a Abs. 2 und 3 StVG objektiv und subjektiv sorgfaltswidriges Verhalten schließen und damit wegen einer Ordnungswidrigkeit zu einem Bußgeld und ggf. „Punkte in Flensburg“ verurteilen.
Also, selbst wenn der Autofahrer beispielsweise am Tag vor der betreffenden Fahrt konsumiert hat und der Rest-THC-Wert im Blut 1,0 ng/ml oder mehr beträgt, darf der Richter auf das ordnungswidrige Verhalten schließe (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.02.2017, Az.: 4 StR 422/15).

 

Folge einer schweren Körperverletzung

Hat die Körperverletzung zur Folge, dass die verletzte Person ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann, ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren (schwere Körperverletzung, § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB). Für die Dauerhaftigkeit des Verlustes der Gebrauchsfähigkeit eines Körpergliedes (hier: Hand) – und damit für die Strafbarkeit wegen schwerer Körperverletzung nach § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB – kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob das Opfer eine ihm mögliche medizinische Behandlung nicht wahrgenommen hat (Bundesgerichtshof, 07.02.2017, Az.: 5 StR 483/16).

 

Zulässige Abstinenzweisung

Wird jemand zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt, kann das Gericht für die Dauer der Bewährungszeit Weisungen erteilen, um den Verurteilten zu unterstützen, keine Straftaten mehr zu begehen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden (§ 56 Abs. 1 S. 2 StGB).  Auch eine Abstinenzweisung, also die Weisung sich jeglichen Konsums nicht ärztlich verordneter Betäubungsmittel zu enthalten, ist zulässig, wenn der Verurteilte seinen Konsum grundsätzlich selbst steuern kann. Die Weisung ist dann nicht unzumutbar (Oberlandesgericht Karlsruhe, 23.01.2017, Az.: 2 Ws 6/17).

 

Absehen vom Fahrverbot wegen Krankheit

Krankheit kann einen Härtefall darstellen, der es rechtfertigt, von einem Fahrverbot nach einer Verkehrsordnungswidrigkeit abzusehen. Jedoch sind an ein Absehen vom Fahrverbot strenge Voraussetzungen zu stellen. Sieht das Tatgericht von der Verhängung eines Regelfahrverbotes wegen eines Härtefalls ab, so stellt es einen sachlich-rechtlichen Fehler dar, wenn die den Härtefall begründenden Feststellungen auf der Einlassung des Betroffenen beruhen, der Tatrichter die Richtigkeit dieser Einlassung aber nicht überprüft hat. Im Falle der schweren Krankheit muss das Gericht also z.B. nachprüfen, ob ein Taxi oder öffentliche Verkehrsmittel zur Fahrt zum Arzt an Stelle des eigenen Kfz verwendet werden kann, ob die Fahrtkosten ggf. durch die Krankenversicherung übernommen werden und welche Behandlungsbedürftigkeit und –intensität vorliegen (Oberlandesgericht Bamberg, 17.01.2017, Az.: 3 Ss OWi 1620/16).

 

Computersabotage

Wer eine Datenverarbeitung, die für einen anderen von wesentlicher Bedeutung ist, dadurch erheblich stört, dass er eine Datenveränderung nach § 303a Abs. 1 begeht, er Daten in der Absicht, einem anderen Nachteil zuzufügen, eingibt oder übermittelt oder er eine Datenverarbeitungsanlage oder einen Datenträger zerstört, beschädigt, unbrauchbar macht, beseitigt oder verändert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft (§ 303b Abs. 1 StGB). Handelt es sich um eine Datenverarbeitung, die für einen fremden Betrieb, ein fremdes Unternehmen oder eine Behörde von wesentlicher Bedeutung ist, ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe (§ 303b Abs. 2 StGB). Für die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes des § 303b Abs. 1 StGB ist es unerheblich, ob der betroffene Datenverarbeitungsvorgang rechtmäßigen oder rechtswidrigen Zwecken dient (Bundesgerichtshof, 11.01.2017, Az.: 5 StR 164/16).

 

Voraussetzung verminderter Schuldfähigkeit bei Dauerstraftat

Bei einer Dauerstraftat, wie sie die Fahnenflucht nach § 16 I WStG (Wehrstrafgesetz) in ihren beiden Tatbestandsalternativen darstellt, führt der Zustand der erheblich verminderten Schuldfähigkeit nur dann zur Anwendung des § 21 StGB, wenn der psychische Defekt während des gesamten Tatzeitraums vorlag (Oberlandesgericht Bamberg, Urteil vom 10.01.2017, Az.: 3 OLG 7 Ss 114/16).

 

Die nicht mehr geringe Menge Pentedron

Im Bereich des Betäubungsmittelstrafrecht ist die „nicht geringe Menge“ von zentraler Bedeutung für einen Schuldspruch. Beispielsweise stellt das Handeltreiben von Betäubungsmitteln in „nicht geringer Menge“ ein Verbrechen dar, das mit Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr Dauer bestraft  wird, während das Handeltreiben von Betäubungsmitteln in „geringer Menge“ ein Vergehen darstellt, das auch mit Geldstrafe geahndet werden kann. Für nahezu alle gängigen Betäubungsmittel hat der Bundesgerichtshof schon in der Vergangenheit Grenzwerte für die „nicht geringe Menge“ bestimmt. In einer aktuellen Entscheidung hat er nun für Pentedron, dessen Wirkungen denen von Amphetamin und Methamphetamin vergleichbar sind, ausgeführt, dass die Festlegung des Grenzwertes bei 18 g Pentedronhydrochlorid und entsprechend 15 g Pentedronbase angemessen sei (Bundesgerichtshof,, 13.10.2016, Az.:  1 StR 366/16).

 

Fahren mit falschen amtlichen Kfz-Kennzeichen

Der BGH hat noch einmal zur Urkundenfälschung (§ 267 StGB) durch Fahren mit einem gefälschten Kfz-Kennzeichen Stellung genommen. |
Nach der Entscheidung gilt: Der Tatbestand des Gebrauchmachens von einer unechten Urkunde gemäß § 267 Abs. 1, 3. Alt. StGB ist verwirklicht, wenn ein mit falschen amtlichen Kennzeichen versehenes Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr genutzt wird.
Wird mit dem Fahrzeug häufiger gefahren, liegt aber ggf. dennoch nur eine Urkundenfälschung vor. Das ist der Fall, wenn dieser mehrfache Gebrauch dem schon bei der Fälschung bestehenden konkreten Gesamtvorsatz des Täters entspricht. Diese Unterscheidung ist im Hinblick auf die Strafhöhe wichtig (Bundesgerichtshof,, Urteil vom 26.10.16, Az.: 4 StR 354/16).

 

Wohnungseinbruchsdiebstahl in Wohnmobil oder Wohnwagen

Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer einen Diebstahl begeht, bei dem er zur Ausführung der Tat in eine Wohnung einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in der Wohnung verborgen hält (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB). Wohnmobile und Wohnwagen sind jedenfalls dann, wenn sie Menschen zumindest vorübergehend zur Unterkunft dienen, Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB (Bundesgerichtshof, 11.10.2016, Az.: 1 StR 462/16).

 

Wer ein gefährliches Werkzeug lediglich am Tatort vorfindet und es unangetastet lässt, macht sich nicht wegen schweren Raubes strafbar.

Wer bei einem Raub oder einer räuberischen Erpressung eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug bei sich führt, muss nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB mit einer Freiheitsstrafe von nicht unter drei Jahren rechnen. Doch wann ist das Merkmal des Beisichführens überhaupt ver-wirklicht?
Kein Beisichführen liegt vor, wenn ein gefährliches Werkzeug lediglich am Tatort vorgefunden und unangetastet gelassen wird, auch wenn das Bewusstsein besteht, dass das Werkzeug funktionsbereit zur Verfügung steht. Grundsätzlich erfordert das Beisichführen eines gefährlichen Werkzeugs nach ständiger Rechtsprechung zwar nicht, dass der Beteiligte es in der Hand hält oder am Körper trägt. Allerdings reicht es aus, wenn das Werkzeug sich in Griffweite befindet oder er sich jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand bedienen kann (Bundesgerichtshof, 05.10.2016, Az.: 3 StR 328/16).

 

Die Fortdauer der Untersuchungshaft darf im Laufe einer Hauptverhandlung nicht lediglich mit einem Verweis auf das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen oder frühere Haftfortdauerentscheidungen begründet werden.

Der Bundesgerichtshof hat über die konkreten Anforderungen an die Aufrechterhaltung eines Haftbefehls während einer laufenden Hauptverhandlung entschieden. Dabei verwies der Bundesgerichtshof darauf, dass das Gericht, welches den Haftbefehl überprüft, sich mit den Ergebnissen der Hauptverhandlung auseinandersetzen muss. Will es den Haftbefehl aufrechterhalten, reicht es nach Ansicht des BGH nicht aus, einfach auf das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen oder auf eine frühere Entscheidung zur Haftfortdauer zu verweisen. Denn in der Hauptverhandlung könne sich der hinreichende Tatverdacht abschwächen oder ganz entfallen. Es muss also zumindest knapp dargestellt werden, aus welchen Erkenntnissen der Beweisaufnahme sich ein hinreichender Tatverdacht weiterhin ergibt (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.09.2016, Az.: StB 30/16).

 

Verständigung in der Berufungsinstanz

Das Gericht kann sich in einem Strafprozess in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe von § 257c StPO über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen (§ 257c Abs. 1 S. 1 StPO).  Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten, nicht aber Maßregeln der Besserung und Sicherung (§ 257c Abs. 2 S. 1 StPO).  Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein (§ 257c Abs. 2 S. 2 StPO). Kommt eine Verständigung zustande, ist ein Rechtsmittelverzicht ausgeschlossen (§ 302 Abs. 1 S. 2 StPO), d.h. auch im Falle einer Verständigung, mit der der Beschuldigte sein Einverständnis erklärt hat, kann er gegen das ergehende Urteil Rechtsmittel, also Berufung oder Revision, einlegen. Gegenstand einer Verständigung vor dem Berufungsgericht kann auch die nachträgliche Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch sein. Hierin liegt keine unzulässige Verständigung über den Schuldspruch oder über einen Rechtsmittelverzicht. Das Verbot einer Verständigung über Maßregeln der Besserung und Sicherung schließt eine Verständigung über Folgeentscheidungen (etwa die Dauer der Sperrfrist beim eventuellen Entzug der Fahrerlaubnis) nicht aus (Oberlandesgericht  Nürnberg, Beschluss vom 10.08.2016, Az.: 2 OLG 8 Ss 289/15).

 

Selbstbehandlung mit Betäubungsmitteln: Nicht durch Notstandslage gerechtfertigt

Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt (§ 34 S. 1 StGB – rechtfertigender Notstand). Der unerlaubte Umgang mit Betäubungsmitteln (hier: Kokain) zum Zweck der Eigenbehandlung eines Schmerzpatienten kann regelmäßig nicht durch § 34 StGB gerechtfertigt sein (Bundesgerichtshof, 28.06.2016, Az. : 1 StR 613/15).

 

Keine Rechtsmittelrücknahme im Auftrag des gesetzlichen Vertreters

Nach der den Vorschriften der §§ 296 ff. StPO zugrunde liegenden Regelungssystematik kann der gesetzliche Vertreter des Beschuldigten (hier: bestellter Betreuer) die gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche Ermächtigung zur Rücknahme eines vom Verteidiger für den Beschuldigten eingelegten Rechtsmittels nicht wirksam für den Beschuldigten erteilen (Bundesgerichtshof, 06.07.2016, Az. : 4 StR 149/16).

 

Diebstahl mit Waffen

Ein Klappmesser von 8,4 cm Klingenlänge ist zwar ein generell gefährlicher Gegenstand; der Umstand, dass der Täter in Besitz des Messers war und dieses in seiner Jackentasche mit sich führte, lässt jedoch nicht ohne Weiteres auf ein entsprechendes Bewusstsein des Beisichführens schließen. Der Angeklagte hat demnach lediglich einen einfachen Diebstahl und keinen Diebstahl mit Waffen begangen (Oberlandesgericht Naumburg, Beschluss vom 17.05.2016 – Az.: 2 RV 39/16)

 

Urkundenfälschung

Das Herstellen einer einfachen Abschrift eines Urteils, dass tatsächlich nicht existiert, stellt keine Urkundenfälschung nach § 267 StGB dar, da eine e i n f a c h e  Urteilsabschrift keine Urkundenqualität hat (Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 12.05.2016, Az.: 1 Rvs 18/1).

 

“Schwere der Schuld” im Jugendstrafrecht

Das Gericht verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist (§ 17 Abs. 2 JGG). Bei freiwilligem Rücktritt vom Versuch ist die schulderhöhende Berücksichtigung des zunächst gegebenen Vollendungsvorsatzes im Rahmen der Prüfung der “Schwere der Schuld” im Sinne von § 17 JGG jedenfalls dann rechtsfehlerhaft, wenn nicht der Umstand der freiwilligen Abkehr von diesem Vorsatz gleichermaßen berücksichtigt wird. Erst beide Gesichtspunkte gemeinsam ergeben das Tatbild, welches in der spezifisch jugendstrafrechtlichen Beurteilung der Schuldschwere zu bewerten ist (Bundesgerichtshof, 20.04.2016, Az.: 2 StR 320/15).

 

Pflichtverteidigung

Hält das Gericht eine Strafverteidigung für notwendig, so darf es die Verteidigerbestellung auch dann nicht aufheben, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Voraussetzungen der Pflichtverteidigung nicht vorlagen (Landgericht Bonn, Beschluss vom 24.01.2016, Az.: 21 Qs-660 Js 405/14-72/15).

 

Voraussetzungen eines Raubes

Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft (Raub, § 249 Abs. 1 StGB). Notwendige Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen Raubes ist eine finale Verknüpfung zwischen dem Einsatz der qualifizierten Nötigungsmittel, also der Gewalt bzw. der Drohung, und der Wegnahme sowie eines räumlich-zeitlichen Zusammenhangs dergestalt, dass es zu einer nötigungsbedingten Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Gewahrsamsinhabers über das Tatobjekt gekommen ist (Bundesgerichtshof, 20.01.2016, Az.: 1 StR 398/15).

 

Werden Erkenntnisse, die während oder nach der Urteilsverkündung gewonnen werden, für die schriftliche Begründung des Urteils herangezogen, so stellt dies einen Verstoß gegen die richterliche Überzeugungsbildung nach § 261 StPO dar.

Der Bundesgerichtshof  hat mit seinem Beschluss vom 21. 01 2016 – Az.: 2 StR 433/15 ein Urteil des Landgerichts Limburg a. d. Lahn aufgehoben, da das Landgericht sich in seiner schriftlichen Urteilsbegründung auf Informationen bezogen hat, die zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung noch gar nicht vorlagen. So bezog sich das Landgericht, das den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von über drei Jahren verurteilte, auf ein Sachverständigengutachten zur Aussagefähigkeit der Geschädigten, das dem Gericht  erst nach der Urteilsverkündung zugeleitet wurde. Ein solches Vorgehen stellt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs einen Verstoß gegen die freie richterliche Überzeugungsbildung dar, nach der das Gericht seine Überzeugung nur aus der Hauptverhandlung schöpfen darf. Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz führt dazu, dass das Recht auf rechtliches Gehör eingeschränkt wird, da sich der Angeklagte nach der Urteilsverkündung nicht mehr zu neu aufgeworfenen Aspekten äußern kann. Das Urteil des Landgerichts musste demnach vom Bundesgerichtshof aufgehoben werden.

 


 

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